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Kolumne | Mein Leben ist ein Ponyhof - 1 | Meinung, das neue Wissen

"Ganz schön viel Meinung bei ganz wenig Ahnung" - diesen oder ähnliche Sätze kennt ihr sicherlich. Und nichts finde ich dieser Tage zutreffender, wenn ich die aktuelle "Kritik" am Reitsport in Tageszeitungen wie der FR oder der taz lese. Was sich mir da für ein "Fachwissen" von "Expert*innen" bietet, da rollt es mir die Fußnägel hoch! Nicht nur, dass lustigerweise diese Menschen gefühlt immer nur aus ihren Löchern kriechen, wenn gerade ein sportliches Großereignis stattfindet, auch, dass hier mit angeblichem "Wissen" ein Bild der Reiterei erzeugt wird, das unvollständiger, halbwahrer und verzerrter nicht sein könnte.

 

Und damit herzlich Willkommen zu meiner Kolumne "Mein Leben ist ein Ponyhof"! Eigentlich hatte ich als erste Folge ein ganz anderes Thema im Sinn und doch kann ich nicht umher, diesen Beitrag dem aktuellen Geschehen zu widmen. Denn es regt mich auf! Eins vorweg: Auch mir liegt der Tierschutz und das Tierwohl sehr am Herzen. Auch ich finde es richtig, Missstände zu benennen. Doch wenn ich keine oder nicht ausreichend Ahnung von etwas habe, dann tue ich gut daran, mich dezent mit meiner Meinung zurückzuhalten! Ja, es gibt Missstände im Pferdesport, sowohl im "großen" Sport als auch im Freizeitbereich. Über diese Tatsache brauchen wir nicht diskutieren. Die gibt's auch nicht erst seit gestern. Und erst recht nicht "erst" seit Olympia 2021. Ja, es ist wichtig, die Missstände zum Wohl der Tiere zu minimieren oder abzustellen. Und ja, oft dauern Veränderungen in dieser Richtung noch zu langsam.

 

Was aber gar nicht geht, ist, in der Öffentlichkeit eine Meinungsmache zu starten, die auf Unwahrheiten, Halbwahrheiten und grobem Nonsens fußt. Den ersten Aufreger hatte ich, als ein ehemaliger Klassenkamerad vom Gymnasium, seines Zeichens mittlerweile Journalist bei der FR, ein von ihm geführtes und bei der FR veröffentlichtes Interview mit einer "Pferde-Expertin" auf Facebook teilte. Wohlgemerkt: er selbst hat sonst nichts mit Pferden am Hut und seine Interviewpartnerin war eine Dame von PETA. Eigentlich war mir von vornherein schon klar, wie der Tenor dieses Beitrags ausfallen würde. Mit jedem Satz, den ich da las, wurde meine Wut im Bauch größer: Wie bitte kann man so unreflektiert und einseitig seine Meinung zum Reitsport kundtun, wenn nicht mit der Absicht, die Reiterei grundlegend in den Dreck zu ziehen? Wie bitte kann man allen Ernstes den Lesern ein Bild vom Reitsport und der Pferdehaltung vermitteln, das alle Reiter und Pferdeleute dermaßen über einen Kamm schert und mehr oder minder aussagt: "Alle Reiter sind Tierquäler und sollten am Besten nur noch Bodenarbeit machen, wenn überhaupt?"

 

Am gleichen Tag las ich dann einen ähnlich "kompetenten" Beitrag der taz. Hier gab es wenigstens dann auch mal Gegenwind durchs Reitervolk in den Kommentaren auf Facebook und das nicht zu knapp. Denn was die Journalistin der taz da so an Aussagen zum Besten gab, ist an grobem Unfug nicht zu überbieten! Der Gipfel des Blödsinns: Pferde hätten ein Schlüsselbein! Ich war sprachlos angesichts so viel "Wissens". Ich frage mich ernsthaft, was genau diese Damen überhaupt zu "Expertinnen" macht? Was können sie dazu genau vorweisen? Eine mehrjährige, abgeschlossene Berufsausbildung als Pferdewirtin, Tiermedizinerin oder einem vergleichbaren anerkannten Beruf mit entsprechender langjähriger Expertise im Umgang mit dem Pferd? Kenntnis der Inhalte der Richtlinien Reiten und Fahren? Kenntnisse der FN-Reglements? Umfassende Kenntnisse in Biologie, Anatomie, Biomechanik, Zucht, Haltung, Fütterung, Verhaltensforschung, Ausbildung und Training? Oder zumindest ein eigenes Pferd oder eine Reitbeteiligung? Ist auch nur irgendwas davon bei diesen Damen vorhanden? 

 

Angesichts solcher Aussagen wie "Pferde haben ein Schlüsselbein" bezweifle ich das zumindest doch stark. Ich mutmaße eher, dass der "Expertenstatus" auch nur selbstauferlegt ist und man seine Kenntnisse über Pferde und den Reitsport aus zumindest zweifelhaften Foren geholt hat, gepaart mit dem Kinogang in die "Ostwind"-Filme. Wie kommt man also als Tageszeitung, wie kommt man als Journalist*in auf die Idee, solche Leute als "Experte" zu Wort kommen zu lassen oder selbst so einen ausgemachten Nonsens zu verzapfen, ohne vielleicht auch selbst mal zu recherchieren und auch andere Meinungen und echte (!) Expert*innen zu befragen? Leute vom Fach gibt es genug, warum muss man sich ausgerechnet PETA ranholen und auch nur die bzw. deren offensichtliche Jünger an der Computertastatur? Mein Anspruch an das Interview wäre gewesen, dass der Journalist nicht einfach nur seinen Fragenkatalog abspult und die Aussagen der Dame so stehenlässt, sondern zumindest die eine oder andere Aussage von ihr selbst kritisch hinterfragt oder kommentiert. Dafür wäre aber vielleicht Vorarbeit nötig gewesen. Man könnte durchaus auch als Journalist*in mal zu den "Großen" in der Reiterei fahren, sich Betriebe wie Aubenhausen, Gut Rothenkircherhof oder andere ansehen, in Dialog mit Zuständigen des Sports und mit Pferdehaltern treten und feststellen, dass nicht das ganze Reitervolk des Teufels ist. Stattdessen liefern die Artikel reine Polemik, die natürlich super in die Grundhaltung der "linksliberalen" Zeitungen wie taz und FR passt. Ach und wer war PETA nochmal? War das nicht die "Tierschutz"-Organisation, die sich Spendengelder lieber zu großen Teilen in den eigenen Säckel wirtschaftet, wenn man einschlägigen Berichten Glauben schenken darf? Von dem selbsternannten Alles-Experten und Möchtegern-Weltverbesserer Aurel und seinen unterirdischen Tweets dieser Tage fange ich erst gar nicht an, denn da ist noch nichtmal das von Sarah Kuttner beschriebene "halbe Zweidrittelwissen" vorhanden. Da ging es rein um Selbstprofilierung gegenüber seinen pseudo-intellektuellen Anhängern auf dem Rücken von Olympia. Da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.

 

Nochmal: Auch ich heiße im Sport nicht alles gut. Weiß Gott gab es bei Olympia genug Ritte zu "bestaunen", die bezogen auf den Umgang mit dem Pferd unterirdisch waren oder einen zumindest fragend zurückließen. Ich heiße aber auch nicht alles im Freizeitbereich gut. Auch ich sehe genügend Missstände und weiß, dass sich noch viel ändern muss. Es ist aber wichtig, hier mit allen Seiten im Dialog zu bleiben und nicht dieses "wir gegen die" zu etablieren, wie es leider schon viel zu sehr in anderen Bereichen des Lebens der Fall ist. Ich habe nichts dagegen, wenn Journalisten Dinge kritisch hinterfragen und Fehlverhalten anprangern, aber bitte reflektiert und fundiert recherchiert, so wie es der Beruf des Journalisten im Allgemeinen verlangt und mit Quellen, die wirklich kompetent sind und nicht nur eine spezielle Meinung vertreten. Ich kann mich beispielsweise auch nicht als "Expertin für Raumfahrt" hinstellen, nur weil ich mal einen Bericht der Mondlandung im Fernsehen gesehen habe und jetzt meine Meinung dazu kundtun möchte.

 

Kritisch dem Sport gegenüberstehen ist das eine, aber bewusst Unwahrheiten und falsches "Wissen" bei der Gesellschaft zu verbreiten um seine Ansichten zu untermauern ist was ganz anderes und definitiv nicht der richtige Weg! Ich frage mich: Wundert es da noch wen, wenn sich militante "Tierschützer" des Nachts an Koppeln zu schaffen machen, um die "armen Tiere" zu befreien, die dann im schlimmsten Fall auf Straßen laufen? Wundert es da noch wen, wenn man als Reiter in teils lebensgefährliche Situationen gebracht wird, wo das Gegenüber die Gefährdung von Leib und Leben von Mensch und (!) Pferd billigend in Kauf nimmt? Wundert es da noch wen, wenn Menschen ohne zu fragen den Pferden gammeliges Brot, Küchenabfälle und Grünschnitt zuwerfen in der Ansicht, den ach so ausgehungerten Tieren was Gutes zu tun, die dann teils jämmerlich an Kolik und dergleichen eingehen? Das alles aus gut gemeinter, aber doch falscher Tierliebe, beruhend auf Unwissen, verqueren Ansichten und nicht zuletzt eben halbwahrer, einseitige Berichterstattung in den Medien. Nennt man das dann "Tierwohl"? Aha. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht! Solche Interviews und Artikel haben mit gutem Journalismus, mit echter "Kritik" nichts zu tun, das ist Meinungsmache auf BILD-Zeitungs-Niveau. Hauptsache, die Auflage stimmt und es konnte wieder ein Thema gefunden werden, mit dem man sich groß tun und mit der Hau-drauf-Tierschützer-Keule schwingen kann. Echte Fakten, echtes Fachwissen - völlig überbewertet! Nach Chef-Virolog*innen und Fußball-Bundestrainer*innen sind alle Deutschen nun also Pferde-Expert*innen. Na, Prost Mahlzeit! Ich stelle schonmal die Uhr, denn bald ist ja der CHIO. Da kommen mit Sicherheit wieder rechtzeitig sinnbefreite Artikel, Posts und Tweets. Hoffentlich haben die "Expert*innen" und auch die "Journalist*innen" bis dahin ihre Hausaufgaben gemacht.

 

 

 

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