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Mein Leben ist ein Ponyhof - 3 | Probereitgebühren – Zahlst du noch oder reitest du schon?

Wenn eines mein definitives persönliches Unwort der Jahre 2021 und 2022 ist, dann ist das „Probereitgebühren“! Was manche Personen im wahrsten Sinne des Wortes „reitet“, sowas überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, ist für mich nicht nachvollziehbar und sämtliche vorgebrachte Argumente entbehren sowohl Hand als auch Fuß. Warum? Nun, das erklär ich euch gern.

 

Auf der Suche nach einem passenden „Nachwuchspferd“, falls man das in meinem Fall überhaupt so nennen kann, bin ich in den letzten Monaten ja schon etlichen Kuriositäten begegnet. Ich sag euch: irgendwann schreib ich bestimmt mal ein Buch darüber. Es könnte amüsant werden. Mal ganz davon ab, dass manche Pferdebesitzer bei der Beschreibung ihrer Vierbeiner ganz offensichtlich unter Realitätsverlust leiden und man dann nach etlichen gefahrenen Kilometern feststellen darf, dass der Braune, der „manchmal etwas stur“ sein soll schlicht und ergreifend ein unrittiges weil verrittenes Mistvieh ist, der beim kleinsten Anflug von Arbeit den Hintern in die Höhe pfeffert. Oder das „brave Dressur- und Freizeitpferd“ eigentlich ein reiner Springer ist, der von Anlehnung noch nie gehört hat und wie eine Giraffe über den Platz marschiert. Ja, Anspruch und Wahrheit liegen da oft schon ziemlich auseinander und auch was den Gesundheitszustand der Huftiere angeht. So durfte ich mir kürzlich einen jungen Wallach, der super toll zu reiten war und ich mich schon am Ende meiner Suche wähnte, wieder aus dem Kopf schlagen. Weil Befund in den Sprunggelenken und somit für meine sportlichen Ambitionen nicht mehr geeignet, was man mir aber auch erst mitteilte, NACHDEM ich gute 100km einfache Strecke gefahren und eine gute Dreiviertelstunde auf dem Kerlchen gesessen war. Danke für nichts.

 

Zu allem Überfluss nimmt nun also auch noch der Gebührenwahn in der privaten Reitergesellschaft immer abstrusere Züge an. Wirklich neu ist das Phänomen ja nicht, aber es nimmt immer mehr zu. Privatpersonen wie Händler, die allen Ernstes Gebühren verlangen, dafür, dass man mal obendrauf sitzen darf. Manche sogar nur dafür, dass man die edlen Zossen nur mal anschauen darf. „Nur gucken, nicht anfassen!“ Und da wird teilweise ordentlich hingelangt. Bis zu 50 € habe ich in diversen Anzeigen schon lesen dürfen und ich frage mich ernsthaft, wer diesen Leuten wirklich so viel Kohle in die Hand drückt. Da muss man doch bekloppt sein! Oder extrem verzweifelt. Ich jedenfalls siebe solche Angebote sofort aus. Kommt mir nicht in die Tüte. Die „Argumente“ der Gebühreneintreiber lauten da beispielsweise „um Reittourismus vorzubeugen“, „zum Wohle des Pferdes“ oder auch „weil ich ja Aufwand mit der Besichtigung habe“. Manche haben auch gar keine Argumente, verlangen aber trotzdem Geld bar auf die Hand, weil „andere machen es ja auch.“ Ich sage: Das ist ausgemachter Humbug!

 

Wenn mir jemand erklärt, das Geld wäre „zum Wohle des Pferdes“ frage ich mich ernsthaft, ob es also erst mein Geld braucht, damit es dem Pferd wohl ergeht? Dann doch eher den Besitzern. Manch findiger Mensch soll das Ganze ja sogar schon als Geschäftsidee für sich entdeckt haben: Eigentlich steht das Pferd gar nicht zum Verkauf. Man inseriert’s aber trotzdem und lässt sich von den Interessenten Geld bezahlen für den „Proberitt“. Verkauft wird das Pferd natürlich nie. Aber wenn man jeden Monat nur 10 Leute kommen lässt, hat man die Stallmiete je nach Region dann auch schon wieder drin. Steuerfrei und am Finanzamt vorbei, versteht sich.

 

 

Dann gibt es noch die, die einem erzählen, man habe ja so viel „Aufwand“ einem Interessenten das Pferd zu zeigen, es fertig zu machen, vorzureiten usw. Dann verstehe ich nicht, warum man sich überhaupt ein Pferd hält, wenn man offensichtlich keine Zeit hat oder Besseres zu tun, als im Stall zu sein. Man kann durchaus problemlos die Besichtigungstermine auf die Zeiten legen, an denen man sowieso beim Pferd ist. Ob man dann selbst drauf sitzt oder jemand anderes, macht den Bock nicht fett. Putzen, satteln usw. muss man so oder so. Wenn man das schon als soooo überaus großen Aufwand erachtet, dann weiß ich‘s echt nicht…

 

Mein „Lieblingsargument“ schlechthin: Man möchte „Reittourismus vorbeugen“. Ja genau, wenn mir langweilig ist, kann ich mir natürlich nichts Schöneres vorstellen, als mich ins Auto zu setzen, stundenlang durch die Botanik zu gondeln, um dann irgendein random Freizeitpferd übern Reitplatz zu buxieren. Wer glaubt so einen Käse? Sicherlich mag es ein paar wenige Menschen geben, die das wirklich machen, aber ich würde mal sagen, das ist doch eher ein verschwindend geringer Anteil der potentiellen Kaufinteressenten. Und wenn, findet sich das eher im Sportpferdebereich, aber wohl eher nicht bei Tante Ilses Haflingermix, der allenthalben nur geländetauglich ist. Ganz ehrlich: man kann sowas auch anderweitig vorbeugen. Durch Telefonate oder E-Mails vorab beispielsweise. In der direkten Kommunikation sollte man mit etwas Menschenkenntnis und den richtigen Fragen imstande sein herauszufinden, ob jemand wirklich ernsthaftes Interesse hat oder ihm/ihr einfach nur langweilig ist. Bei Leuten aus dem näheren Umkreis könnte man beispielsweise auch zunächst einen (Erst-)Besichtigungstermin ohne Reiten vereinbaren und da demjenigen direkt auf den Zahn fühlen. Und wenn ich kein gutes Gefühl bei der Person habe, lasse ich sie nicht aufs Pferd. So einfach ist das.

 

Es ist ja auch nichts anderes, als wenn ich beispielsweise mein Auto verkaufen will. Da kann ich auch keine „Probefahrtgebühren“ verlangen, um „Fahrtourismus“ vorzubeugen. Jeder Kaufinteressent würde mir gehörig 'nen „Vogel“ zeigen und wahrscheinlich wäre ich meine Rostlaube nach drei Jahren immer noch nicht los. Es wird auch hier immer Leute geben, die „nur mal gucken“ oder „nur mal fahren“ wollen. Die Verkäufer in den teuren Sportwagen-Autohäusern können sicherlich ein Lied davon singen. Das gehört halt aber nunmal zum Prozedere dazu. Aber wie bereits erwähnt, ist der Anteil derer, die eigentlich kein Interesse haben, dann im Verhältnis doch eher klein. Ausschuss gibt’s halt immer und oftmals passt es halt auch einfach nicht. Das findet man halt aber erst wirklich raus, wenn man auf dem Pferd sitzt. Welch‘ Überraschung! Deswegen aber jeden potentiellen Käufer per se erstmal unter Generalverdacht zu stellen, finde ich extrem anmaßend und ich persönlich möchte mit solchen misstrauischen Menschen erst gar keine Geschäfte machen.

 

Gerade auch in Anbetracht der heutigen Spritpreise finde ich es eine Frechheit, Geld fürs Probereiten zu verlangen. Zumindest hier im Rhein-Main-Gebiet ist der Markt in „meinem“ Suchsegment ziemlich leergefegt. Also muss man zwangsläufig größere Strecken Richtung Norden, Osten oder Süden fahren. Das sind dann unter Umständen Halbtages- oder sogar Tagestouren, die man da auf sich nimmt. Für ein Pferd! Man sitzt also mehrere Stunden im Auto, verbläst Unmengen Sprit, hat Verschleiß am Auto (ja, den muss man auch einkalkulieren) und unter Umständen stellt sich das angepriesene Traumpferd mal wieder als Gurke heraus und es heißt erneut „außer Spesen nix gewesen“. Wer hat da also den größeren Aufwand? Und dann soll ich dafür den Verkäufern auch noch zusätzlich 50 € steuerfrei auf die Hand blättern? Bei der Anzahl an Pferden, die ich mir schon angeschaut habe, hätte ich da schon ein krasses Sümmchen ausgegeben, hätte ich jedes Mal Probereitgebühren gezahlt. Denn erstattet/angerechnet bekäme ich die ja nur „bei Kauf“. Wie großzügig… nicht!

 

Die einzige Situation, in der ich bereit wäre, Geld zu zahlen: wenn ich während des Proberitts eine Unterrichtsstunde bei einem qualifizierten Trainer/ einer qualifizierten Trainerin bekommen würde. Aber auch nur dann und auch nur in Höhe des Preises für eine reguläre Unterrichtseinheit. Denn alles andere ist schlicht und ergreifend Wucher.

 

Mittlerweile gibt es ja sogar schon Leute, die „Sattelleihgebühren“ verlangen, wenn ein Kaufinteressent sich einen Sattel zur Anprobe ausleiht. Um vorzubeugen, dass jemand sich den Sattel „nur mal so ausleiht, ohne wirklich kaufen zu wollen.“ Als ob…! Ganz ehrlich, ich kann nur noch den Kopf schütteln. Welche Gebühr kommt wohl als Nächstes? Ich bin gespannt!

 

Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich für meinen Teil werde auch weiterhin nur Annoncen in Betracht ziehen, die mir nicht noch den letzten Cent aus der Tasche ziehen wollen, nur damit ich danach wieder mal frustriert von dannen ziehe. Wie steht ihr zum Thema „Probereitgebühren“? Gerechtfertigt oder nur Vorwand, um Kasse zu machen? Und was ist eigentlich euer persönliches Unwort? Kommentiert gern diesen Beitrag, es interessiert mich und schaut auch demnächst wieder rein, wenn es wieder heißt „Mein Leben ist ein Ponyhof“!

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Curleysinspire (Donnerstag, 07 April 2022 19:32)

    Super Beitrag. Es hat sich leider beim Pferdekauf einiges Verändert. Und das zum Negativen.
    Ich habe aber so etwas wie Reittourismus auch schon erlebt. Ich kann die "Gebühr" dann einerseits auch nachvollziehen. Aber wer ein Pferd verkaufen will, der muss auch das Probereiten akzeptieren.
    Es verlangt ja auch keiner Gebühren für das Probefahren bei Autos. Kostet ja auch Sprit und Zeit. ;)

    Deine CurleysInspire
    (www.der-pferdeblog.de)

  • #2

    Uwe (Samstag, 09 April 2022 18:23)

    Sehr schöner Artikel. Und kann dir zustimmen.
    Ich finde die Gebühren für das probe reiten nicht vernünftig. Man zahlt ja auch keine Gebühren wenn ich im Ladens eine Hose anprobieren möchte.

    Außerdem, wenn ein Kauf nicht zustande kommt ist es Risiko des Verkäufers. Er muss es nicht verkaufen.